Gemeinschaftsschule - eine neue Möglichkeit für alle Kinder

09. November 2013

„Auf dem Land bricht die Bildungslandschaft komplett weg!“ warnt Martin Güll, MdL und Leiter des Bildungsausschusses der neuen bayerischen Staatsregierung. Zahlreiche Haupt- und Mittelschulen auf dem Land seien von Schließung bedroht. Damit verlören die Gemeinden einen ihrer wichtigsten Standortfaktoren. Auch in städtischen Bereichen siechten Haupt- und Mittelschulen vor sich hin. Es sei sogar eine „Ghettoisierung“ feststellbar, zeigt der Bildungspolitiker am vergangenen Donnerstag beim Brückenwirt auf. Dass es höchste Zeit für neue Wege sei, könne keiner leugnen.

Auf Einladung des SPD-Ortsvereins ist Güll nach Kirchseeon gekommen, um das Modell „Gemeinschaftsschule“ vorzustellen, dass er zusammen mit einem Expertenteam für die Gemeinden Denkendorf und Kipfenberg auf den Weg gebracht hat. Man habe nur einen Fehler gemacht, bedauert er. Der Name „Gemeinschaftsschule“ sei nicht ideal gewählt. Zu sehr erinnere er an die Gesamtschulen, die in den siebziger Jahren eingeführt wurden. Aber davon sei das Konzept weit entfernt. Zwar sei die Gemeinschaftsschule ein Haus, in dem auf alle Abschlüsse des dreigliedrigen Schulsystems hingearbeitet werde, aber die Selektion der Kinder und die Zuordnung zu einer vorbestimmten Schulart findet nicht mehr statt.

Was zunächst sehr theoretisch klingt, wird für die rund 30 Zuhörer greifbar, wenn Güll das Bild des fiktiven Schülers Maxi zeichnet, der in der Schule die Möglichkeit bekommt, seinen „Bildungs-Rucksack“ so zu packen, wie er ihn tragen kann. Wenn Maxi eine hohe Begabung für Mathematik habe, aber sich mit dem Erlernen von Fremdsprachen schwer tue, dann könne er beim Mathematikunterricht „in das obere Regal greifen“, in dem sich das Unterrichtsniveau für den Gymnasialbereich befände. In Englisch begnüge er sich mit einer der darunter liegenden Regalreihen mit dem Stoff für Mittel- oder Realschule. Gemeinsam mit den Lehrern und Eltern könne am Ende der zehnjährigen Schullaufbahn entschieden werden, welchen Schulabschluss Maxi erreichen kann.

Klingt einfach, sei aber eine „Revolution“, meint eine Zuhörerin begeistert. Denn die Anforderungen an die Lehrer änderten sich ja in diesem Schulmodell komplett. Martin Güll, der selbst viele Jahre Lehrer und Rektor einer Hauptschule war, stimmt zu. Der Lehrer werde in der Gemeinschaftsschule Begleiter der Schüler. Die Klassenverbände werden aufgehoben. Schüler verschiedener Altersstufen und unterschiedlicher Niveaus arbeiten zusammen, aber jeder an seinem Thema. Der Lehrer beobachtet und unterstützt. Was es nicht mehr geben solle, sei „Bullimie-Lernen“, also das reine Reinstopfen und Abrufen theoretischen Wissens. Lernen fände statt als eine Mischung von Waldorf- und Montessori-pädagogik und gehirngerechtem Lernen. Inklusion für alle sei hier für Kinder mit unterschiedlicher Begabung und für Kinder mit oder ohne Behinderung möglich. Erst wenn Wissen verinnerlicht und gelebt werde, könne es zur Kompetenz werden.

Die Kirchseeoner Mittelschule werde auf lange Sicht nicht wie bisher überleben können, sind sich die Zuhörer sicher. „Also warum machen wir es nicht einfach?“ fordern einige Zuhörer auf. Es biete sich hier eine Riesenchance, die es zu ergreifen gelte. Eine Mutter von drei Kindern ist begeistert. Sie sei selber ehemalige Waldorf-Schülerin und würde sich freuen, wenn ihre eigenen Kinder eine Gemeinschaftsschule in Kirchseeon besuchen könnten. Die derzeitigen Schulformen seien wirklich komplett überholt. Sie sei bereit, neue Wege zu wagen. Schließlich sollen auch ihre Kinder sich später gerne an ihre Schulzeit erinnern können und nicht nur daran, was es für ein Stress gewesen sei, immer den Anforderungen des Systems entsprechen zu müssen.

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