Brennerdialog - SPD nimmt Sorgen der Bürgerinitiativen

21. Februar 2019

Am 26. Januar 2019 trafen sich 30 Vertreter aus 15 Bürgerinitiativen(BI) sowie einige Bürgermeister mit Mandatsträgern der SPD in Rosenheim. Maria Noichl (MdEP) hatte zum Treffen eingeladen und wurde von Martin Burkert (MdB) und Dr. Bärbel Kofler (MdB) begleitet. Ziel der SPD Abgeordneten war es die Erfahrungen und Motive der Bürgerinitiativen sowie den Stand von Planung und Dialogverfahren zum Brenner-Nordzulauf (BNZ) zu erfahren. Begonnen wurde mit einer ausführliche Darstellung der zahlreichen Fakten die gegen den Trassenneubau sprechen. Dies betrifft insbesondere den immer noch fehlenden Bedarfsnachweis, die Ignorierung des Engpasses beim Bahnknoten München sowie der geplante Ausbau der Strecke Rosenheim - Regensburg - Hof für den Güterverkehr. Die Bürgervertreter in den Dialogforen der Bahn berichteten einstimmig, dass dieses Verfahren eine Alibiveranstaltung ist. Eine Mitbestimmung ist nicht gewollt und wird durch Geschäftsordnungstricks blockiert.

Es war ein komplett anderes Bild als beim Besuch von Minister Andreas Scheuer am 21. Januar in Rosenheim. Denn die Vertreter der SPD hörten sich sehr genau die Sorgen und Argumente der Bürgerinitiativen und der anwesenden Bürgermeister an und befürworteten die Forderung nach einem Bedarfsnachweis für ein drittes und viertes Gleis. Diesen liefert das Bundesverkehrsministerium seit zwei Jahren nicht und wurde von Andreas Scheuer auch nicht präsentiert. Vielmehr bezeichnete Scheuer im Gespräch mit den Bürgermeistern und BI einen Austausch über den Bedarf als „philosophische Diskussion“. Im Gegenzug präsentierte er Szenarien für die Zeit bis 2050, die in ihrer Aussagekraft einer Wetterprognose für 2020 gleichen.

Für großen Ärger sorgte bei den BI, dass die DB seit fünf Monaten eine Stellungnahme zu einer Studie des renommierten Ingenieurbüros Vieregg- Rössler verweigert. In dieser Studie wird auf Basis öffentlich zugänglicher Fakten detailliert beschrieben, dass die jetzige Trassenplanung unzulässig ist. Denn wichtige Einflussfaktoren wie zwei geplante Bahnrouten nach Wasserburg und Freilassing und der Engpass beim Bahnknoten München werden nicht berücksichtigt. Zudem werden keine planerischen Alternativen untersucht. Hier ist vor allem eine kürzere Trasse für den innerösterreichischen Verkehr zu nennen, die von Salzburg über Lofer, St. Johann bis nach Wörgl führen könnte. Diese Variante würde im Inntal 30% weniger Bahnverkehr bedeuten. Allerdings können die Österreicher bei dieser Strecke nicht mit EU-Finanzmitteln rechnen, so dass diese Variante nicht gewünscht ist. In der Studie werden auch die Hintergründe für realistische Verkehrs- und Zugprognosen erläutert. Die politisch motivierten hohen Wachstumsprognosen im Schienengüterverkehr sind bislang in der Realität nicht erfüllt worden. Es fehlt an den politischen Vorgaben für eine Verkehrsverlagerung. Deshalb findet das Güterverkehrswachstum auf der Straße statt. Genau hier setzt eine Forderung der BI an. durch politische Vorgaben der Umwegeverkehr über den billigen Brennerpass gestoppt wird, beispielsweise durch die Erhöhung der Brennermaut oder eine Alpentransitbörse, die eine gleichmäßige Auslastung aller Alpenübergänge zum Ziel hat. Dies verursacht keine Kosten und kann die Verkehrsbelastung im Inntal sofort um 30% reduzieren – wenn der politische Wille da wäre! Aber hier wird von Seiten der CSU-Verkehrsminister seit Jahren blockiert. Durch die Umsetzung dieser verschiedenen Maßnahmen könnte die jetzige Bahnstrecke stark entlastet werden und es wären genügend Kapazitäten frei, um das gewünschte Wachstum auf Jahrzehnte hinaus zu bewältigen. Eine weitere Forderung ist die notwendige Modernisierung der Bestandsstrecke und die Einstufung als Neubaustrecke. Dadurch wird ein optimaler Schallschutz möglich, der deutlich über dem liegt was Andreas Scheuer als Schallschutz+ der Bevölkerung „verkaufen“ will. Durch eine Neubaustrecke würde die Bestandstrecke sicher abgestuft und der Einsatz der modernsten Schallschutzmaßnahmen wäre nicht zulässig. Nach diesen ausführlichen Informationen der BI, zeigten sich die Bundespolitiker Martin Burkert und Dr. Bärbel Kofler sehr überrascht; denn der Bundesverkehrsminister vermittelt in Berlin den Eindruck, dass der Bürgerdialog hervorragend läuft und die beteiligten Bürgermeister und BI die neuen Trassen befürworten und unterstützen. Dann war Martin Burkert gefordert, denn als ehemaliger Bahngewerkschafter, Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie als stellvertretender Vorsitzender der Parlamentsgruppe Schienenverkehr ist er ein ausgewiesener Experte für Verkehrspolitik und bahntechnische Themen. Zunächst ergänzte er die Ausführungen der BI durch wichtige Zusatzinformationen, beispielsweise dass in Baden-Württemberg Tunnelbauten durch politische Entscheidungen möglich wurden, auch wenn diese nicht wirtschaftlich sind. Weiterhin die Info, dass die Modernisierung einer Strecke im Raum Regensburg als Neubaustrecke eingestuft wurde, um für die Menschen einen optimalen Schallschutz zu erreichen. Er berichtete auch über einen Bürgerdialog in Niedersachsen. Im Gegensatz zum Rosenheimer Dialogverfahren sind dort Anträge erlaubt, Abstimmungen werden protokolliert und Diskussionen per Video aufgezeichnet, um kritische Anmerkungen zu dokumentieren und öffentlich zu machen. Bei allen Beteiligten herrschte Übereinstimmung, dass eine Vermeidung des Güterverkehrs und die Verlagerung von der Straße auf die Schiene notwendig sind. Dies ist aber nur möglich, wenn die richtigen politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden und in die Infrastruktur der Bahn investiert wird. Die Realität sieht aber ganz anders aus, denn die Investitionen in den Straßen- und LKW-Verkehr sind um etliche Milliarden höher als die Gelder für die Bahn. Maria Noichl (MdEP), Martin Burkert (MdB) und Dr. Bärbel Kofler (MdB) sagten zu die Argumente und Anliegen der BI in die deutschen und europäischen parlamentarischen Gremien zu tragen. Offene Fragen sollen durch parlamentarische Anfragen geklärt und eine Petition unterstützt werden. Gemeinsames Ziel ist es den Güterverkehr wirksam auf die Schiene zu verlagern und keine Hochgeschwindigkeitsstrecke als Prestigeprojekt zu fördern. Ein Projekt, das am Ende so nutzlos ist wie eine „Kathedrale in der Wüste“. Dies zeigt auch der jüngst veröffentlichte Sonderbericht des europäischen Rechnungshofes, der klar aufzeigt, dass die allermeisten Hochgeschwindigkeitstrassen in Europa nicht ausgelastet werden und hoch defizitär sind. Alle waren sich einig, dass die Steuergelder sinnvoller investiert werden müssen, und nicht wie im Fall Stuttgart 21 in der Erde versenkt werden. Ähnliche Gespräche mit Fachpolitikern weiterer Parteien aus Bund, Land und EU sind in Vorbereitung.

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